Mahinland

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Mahinland (Nigeria)
Mahinland (Nigeria)
Mahin
Lage von Mahin im heutigen Nigeria[1]

Das Mahinland (auch Mahingebiet)[2] war ein Küstenland östlich von Lagos an der Bucht von Benin im heutigen Nigeria. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es kurzzeitig zum Gegenstand deutscher Kolonialbestrebungen.

Mahin, östlich von Lagos auf einer Karte von Hugo Zöller (1885)

Der Hamburger Unternehmer Gottlieb Leonhard Gaiser betrieb im britischen Lagos eine Niederlassung und war bestrebt, den Handel mit Ölfrüchten nach Osten und ins Innere auszudehnen. Dazu nahm er über Mittelsmänner, zu denen der Afrikaforscher Gottlob Krause zählte, Verhandlungen mit dortigen Lokalherrschern auf. Ab Mai 1884 traten Heinrich Bey, deutscher Konsul und gleichzeitig Generalagent für G. L. Gaiser, und Krause in freundschaftlichen Kontakt mit Herrschern Mahins. Bei dem Ort Akpata wurde eine deutsche Faktorei angelegt. Am 23. August 1884 besprach sich Bey in Lagos mit Gustav Nachtigal, dem neuen Reichskommissar für Westafrika, und versuchte, die Freundschafts- in Hoheitsverträge umzuwandeln.[3] Am 15. Dezember 1884 verankerte Bey das firmeneigene Dampfschiff Tender (ca. 79 BRT, Baujahr 1862)[4] als Hulk in der Artijere-Lagune.

Am 14. Januar 1885 bat der Gaiser-Agent Zimmer Gustav Nachtigal um „deutschen Schutz“, der sich zu dieser Zeit in Kamerun aufhielt.[5] Deutsche Kaufleute unterstützten das Anliegen, da sie hofften, in Umgehung britisch kontrollierter Gebiete Waren zollfrei zum oberen Niger einzuführen. Die nigerianische Küste von Lagos bis Kamerun stand seit 1882 theoretisch unter der Gerichtsbarkeit des britischen Konsuls in Calabar. Das Gebiet war jedoch zu ausgedehnt, um tatsächlich kontrolliert zu werden.[6] Am 18. Januar 1885 schloss der Gaiser-Agent Eugen Fischer mit dem Amapetu („König“) von Mahin einen privaten Vertrag, dem zufolge 50 Meilen Küstenland östlich von Lagos mit allen Hoheitsrechten an die Firma G. L. Gaiser abgetreten wurden. Am 20. Januar 1885 reiste Nachtigal mit den Schiffen Möwe und Gaiser (276 BRT, Baujahr 1878)[4] von Victoria (heute Limbe in Kamerun) nach Gogoro in der westlichen Mündungsregion des Niger.[3] Begleitet wurde er durch den deutschen Forschungsreisenden und Journalisten Hugo Zöller.[7]

Gustav Nachtigal und Eugen Fischer schlossen in Begleitung Zöllers mit dem Amapetu am 29. Januar 1885 einen Schutzvertrag über das Mahinland (anderer Quelle zufolge am 25. Januar)[3]. Nach deutschen Quellen handelte es sich um ein lagunenartiges Wald- und Sumpfgebiet mit Pfahldörfern, in denen etwa 8.000 bis 10.000 Menschen wohnten.[8][9] Das Dorf Mahin, in dem der Amapetu residierte, war weitläufig gebaut und wohlhabend.[10] Die übrigen Siedlungen waren ökonomisch weniger bedeutend.[11] Zu ihnen zählten Aboto (auch Agboto), in dem einer der mächtigsten Unterhäuptlinge wohnte und der Küstenort Gogoro.[12] Als Gegenleistung für die Landabtretung erhielt der Amapetu Seide, Spirituosen, 20 britische Pfund sowie einen Reichsadler mit der Inschrift König der Mahin.[13]

Die britischen Behörden in Lagos erkannten den Kauf- und Schutzvertrag zunächst an und der britische Gouverneur war bereit, Verhandlungen zur beidseitigen Interessenwahrung aufzunehmen.[3] Am 11. März 1885 bestätigte Nachtigal den deutschen Schutz über den als „Mahinstrand bekannten Küstenstrich des Mahinlandes“ von Abejamura bis Abotobo.[14] Der Schutz galt jedoch vorbehaltlich der Ratifikation des Schutzvertrages durch die deutsche Regierung binnen 18 Monate.[15] Dieser Vorbehalt entsprach der Rücksichtnahme Bismarcks gegenüber britischen Kolonialinteressen. Wie schon im Falle der südafrikanischen Santa Lucia Bay, die er gar nicht erst unter Schutz stellen ließ, sah Bismarck auch im Mahinland ein reines Tauschobjekt. Nachtigal wurde daher angewiesen, „weitere Schritte bezüglich Mahins“ zu unterlassen.[16] In der Anbahnung des britisch-deutschen Abkommens vom 29. April 1885 wurde das Mahinland zur Verhandlungsmasse im Kolonialausgleich zwischen dem Deutschen Kaiserreich und dem Vereinigten Königreich um Besitzansprüche an der Küste Kameruns. Deutschland verpflichtete sich gegenüber Großbritannien, an der Küste zwischen Lagos im Westen und Rio del Rey im Osten keine „Schutzherrschaft“ auszuüben.[3] Am 24. Oktober 1885 ging die Ausübung der „Schutzherrschaft“ endgültig an Großbritannien über. Eine zunächst vorgesehene Entschädigung an das Haus Gaiser wurde von den zuständigen Stellen in London mit der Begründung abgelehnt, es könnten – wenn überhaupt – nur die Tauschgüter und keine weiteren Aufwendungen veranschlagt werden. Da dem internationalen Handel auf der Kongokonferenz die freie Schifffahrt auf dem Niger zugestanden wurde, waren die Nachteile für Gaisers Geschäfte aber gering.[3]

Der Ort Mahin liegt heute im nigerianischen Bundesstaat Ondo.

  • Kapitaï und Koba (westafrikanische Küstenländer, ebenfalls kurz unter deutschem „Schutz“)
  • Olayemi Akinwumi: The Colonial Contest for the Nigerian Region 1884–1900. Lit, Münster/ Hamburg/ London 2002, ISBN 3-8258-6197-X.
  • Ernst Hieke: G. L. Gaiser. Hamburg–Westafrika. 100 Jahre Handel mit Nigeria. Hoffmann und Campe, Hamburg 1949.
  • Akinsola Olorunfemi: The Germans in Mahinland (Nigeria) 1884–1885: Threat to British Trade on the Niger? In: Africana Marburgensia. Jahrgang 23, Ausgabe 1, 1990, S. 48–62. (Abstract, engl.)
  • Norbert B. Wagner (Hrsg.): Archiv des Deutschen Kolonialrechts. 2. Auflage. Brühl/ Wesseling 2008, S. 259–260 und 374. (PDF; ca. 1,9 MB)
  • Hans-Ulrich Wehler: Bismarck und der Imperialismus. 4. Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1976, ISBN 3-423-04187-0.

Einzelnachweise

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  1. Lage von Mahin auf Google Maps
  2. Meyers Konversationslexikon. Korrespondenzblatt zum 1. Band, 4. Auflage. Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/ Wien 1885–1892, S. 1023.
  3. a b c d e f Max von Koschitzky: Deutsche Colonialgeschichte. Band 2 – Erwerbung der Reichsschutzgebiete bis zur Erledigung des Carolinenstreites, Verlag von Paul Frohberg, Leipzig 1888, S. 324 ff. (online).
  4. a b Hieke 1949, S. 133.
  5. Wehler 1976, S. 329.
  6. Pierre Bertaux: Afrika – Von der Vorgeschichte bis zu den Staaten der Gegenwart. Weltbild, Augsburg 1998, ISBN 3-89350-989-5, S. 232.
  7. Max Buchner: Aurora Colonialis – Bruchstücke eines Tagebuches aus dem ersten Beginn unserer Kolonialpolitik 1884/1885. Piloty & Loehle, München 1914, S. 214 f. (unveränderter Faksimilereprint, Fines Mundi, Saarbrücken 2016).
  8. Schüßler o. D., S. 701.
  9. Hugo Zöller: Die deutschen Besitzungen an der westafrikanischen Küste – II. Die deutsche Kolonie Kamerun. Teil 1, Verlag von W. Spemann, Berlin und Stuttgart 1885, 67 ff.
  10. Zöller 1885, S. 78.
  11. Akinwumi 2002, S. 61.
  12. Zöller 1885, S. 79.
  13. Akinwumi 2002, S. 62.
  14. Wagner 2008, S. 374.
  15. Wagner 2008, S. 259.
  16. Wehler 1976, S. 330.
  • Olanyemi Akinwumi: The Colonial Contest for the Nigerian Region 1884–1900. Lit, Münster/ Hamburg/ London 2002, S. 60ff.
  • Meyers Konversationslexikon. Korrespondenzblatt zum 1. Band, Leipzig/ Wien 1885, S. 1023.
  • W. Schüßler: Kolonialgeschichte. In: Albert Brackmann, Fritz Hartung (Hrsg.): Jahresberichte für deutsche Geschichte. Band XXI, 13. Jg., Koehler, Leipzig 1937–1939, S. 700f. (verfügbar gemacht durch die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften)
  • Freundschafts- u. Schutzvertrag zw. Nachtigal u. König Amapetu vom 11. März 1885 im Bildbestand der Dt. Kolonialgesellschaft in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, S. 1, S. 2, S. 3, S. 4, S. 5.
  • Protokoll zum Freundschafts- u. Schutzvertrag zw. Nachtigal u. König Amapetu vom 11. März 1885 im Bildbestand der Dt. Kolonialgesellschaft in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, S. 1, S. 2.
  • „Gold- und Sklavenküste“ vom 15. Jh. bis 1885 – Geschichtsatlas-Karte mit den vorübergehenden deutschen Ansprüchen auf Mahin (siehe rechte Kartenseite)
  • Karte des Wasserweges von Lagos ostwärts gegen den Niger bis Agboto. Unter Mitwirkung von Herrn Konsul Heinrich Bey und Frau Eugenie Krause aufgenommen den 3.–5. Mai und den 10.–13. August 1884 und gezeichnet von Gottlob Adolph Krause. Bibliothèque numérique de Chambéry.
  • Mahinland, Archivführer Deutsche Kolonialgeschichte, Fachhochschule Potsdam – Fachbereich Informationswissenschaften (Hrsg.)